Die Stadt ist keine Aneinanderreihung von Einzelschicksalen, die Nachbarin ist mehr als die Schrulle von oben und welche Dinge und Momente könnte man eigentlich teilen?
Als große Gemeinschaft ist die Nachbarschaft eine Schatzkiste von Kompetenzen, Erfahrungen und Möglichkeiten. Die Zusammenarbeit hat uns als Homo Sapiens erfolgreich gemacht und bietet jedem Einzelnen Momente der Bereicherung. Und sie ist die Zukunft, denn in Zeiten von Corona, Alterseinsamkeit, gar einer „lonely society“, ist die Bereitschaft aufeinander zuzugehen nicht nur wünschenswert, sondern unsere konkrete Verantwortung. Soziale Medien und Technologien sind dabei eine Hilfe, aber wir brauchen viel mehr als gelegentliche und spontane Begegnungen. Ein Nachbarschaftsnetz lebt davon, dass man sich aufeinander verlassen kann, sich für die anderen interessiert und gemeinsame Erlebnisse schafft.
Seien wir ehrlich: der erste Schritt dahin ist der schwierigste. Und den ersten Schritt gibt es immer wieder, denn es ist mühsam die Grenzen von Alltagsroutinen, Bekanntschaften und letzten Endes auch die Grenzen der Architektur zu übertreten. Dabei gibt es schon Orte, die zur Gemeinschaft einladen, weil sie keinem gehören: Hauseingänge, Treppenhäuser, Innenhöfe oder Dächer. Die Stadt besteht nicht nur aus öffentlichen und privaten Räumen. Dazwischen stehen viele halböffentliche Räume, die bisher anonym und leblos erscheinen, obwohl sie genau das Gegenteil sind: Schnittstellen und Treffpunkte – und so sollten sie auch gestaltet und genutzt werden. Das Potenzial von Räumen und Objekten ist dabei gewaltig, denn sie können Kontexte erzeugen, in denen wir uns anders begegnen und uns als Gruppe auffassen. Wahre Eisbrecher. Ein Beispiel dafür ist das Spiel, sei es als Sport oder auf dem Küchentisch: wir fragen uns nicht mehr was wir zusammen machen können, oder wie man ein Gespräch beginnt, sondern kooperieren mühelos im Rahmen des Spiels.
Was ist das Supertalent von Räumen? Sind sie tote Flächen, Diener einer Nutzung oder Einladungen zur Lebendigkeit?
Unser Leben setzt sich aus vielen Interaktionen mit Objekten, Räumen und Umgebungen jeder Art zusammen. Gerade weil sie so eine zentrale Rolle in unserem Leben spielen, sollten wir sie auch als Mitwirkende an unserer Lebensweise auffassen und als solche erlebbar machen. Ein Beispiel: ein kaputter Stuhl ist unbequem und erfüllt seinen Job als Sitzhilfe schlecht. Jedoch kann er etwas ganz anderes: er zwingt uns dazu über unsere Handlung nachzudenken und zu neuen Lösungen zu kommen. Statt im Sitzen zu verweilen, müssen wir die Position wechseln, neue Positionen ausprobieren und den Stuhl umdrehen, um zu schauen ob es nicht auch alternative Nutzungen gibt. Das ist ziemlich disruptiv und in den meisten Fällen ärgerlich, weil eine andere Handlung beabsichtigt wurde, jedoch kann dieser belebende Charakter auch in einladender und begeisternder Weise funktionieren. Und genau das sind die COBJEKTE. Objekte als Kontexte für Kooperation und Erlebnisse in der Nutzung. Die Kooperation ist nicht Konsequenz, sondern Voraussetzung. Die Objekte sind nicht Diener, sondern motivieren zum Erforschen, Erfahren und Gestalten.
Kyra Albrecht und Lars Oschmann
Im Rahmen des Projekts „Hallo Nachbar“ / M.A. Eva Bartenbach und Prof. Johannes Brückner / TH OWL